Die aktuelle Buchbesprechung

Wo keine Schleife ist, ist gar nichts

Schnappschuss aus einer Animation zur Dynamik der Quantengeometrie in der Schleifen-Quantengravitation.

Schnappschuss aus einer Animation zur Dynamik der Quantengeometrie in der Schleifen-Quantengravitation.

Theoretische Physiker halten unser Vorstellungsvermögen seit Jahren auf Trab: Nachdem wir uns gerade mit den Strings anfreunden mussten, kommen nun also die Schleifen. Die Stringtheorie, in den Büchern von Brian Greene wunderbar popularisiert, beschreibt den Teilchenzoo der Physik als unterschiedliche Schwingungsanregungen einer einzigen Art elementarer Objekte, eben den Strings (Fäden). Diese winzigen Fäden gleichen den Saiten eines Musikinstruments, die durch unterschiedliche Schwingungsanregungen verschiedene Töne erzeugen. Auch wenn dieses Modell einen großen Schritt im reduktionistischen Programm der Physik darstellt, tut sich die Stringtheorie mit der Urknall-Singularität schwer. Den Grund dafür erklärt Martin Bojowald in seinem Buch folgendermaßen: "Man kann mit ihr [der Stringtheorie] zwar gut die Anregungen auf einer gegebenen Raum-Zeit-Bühne beschreiben, aber das Verhalten der Raum-Zeit selbst, die ja am Urknall singulär wird, ist weit schwieriger zu handhaben. [...] Wir wenden uns deshalb jetzt einer alternativen Theorie zu, die die quantentheoretische Natur der Raum-Zeit-Bühne direkt angeht."

Die Raumzeit, durch Albert Einsteins Relativitätstheorie in die Physik eingeführt, wird in populär-wissenschaftlichen Büchern gern als gespanntes Gummituch mehr schlecht als recht veranschaulicht. Massen verformen dieses Tuch und diese Verformung der Raumzeit wiederum zwingt andere Körper auf eine gekrümmte Bahn. So erklärt Einstein die Gravitation. In der Schleifen-Quantengravitation ist dieses Tuch aber nicht aus homogenem Gummi, sondern aus Schleifen gewoben. "Wo keine Schleife ist, ist gar nichts", schreibt Bojowald. Die zeitliche Entwicklung eines Universums wird in dieser Theorie durch sukzessives Hinzufügen oder Entfernen von Schleifen beschrieben.
Mit der Zerlegung der Raumzeit in die Raumzeit-Atome der Schleifen, wiederholt sich in gewisser Weise die Geschichte der Physik. So wie die Quantenmechanik diskrete Energiezustände in die Atomphysik einführte, um die Stabilität der Atome zu erklären, stabilisiert erst die diskrete Raumzeit den extremen Zustand der Urknall-Singularität. Martin Bojowald bemüht hierfür das Bild eines Schwammes: Im kleinen Maßstab erscheint die Raumzeit porös, eben wie ein Schwamm. Diese Eigenschaft des Schwammes ist von weitem nicht sichtbar und so erscheinen uns auch auf den gewohnten alltäglichen Skalen Raum und Zeit als kontinuierlich. So wie ein Schwamm Wasser aufsaugt, nimmt die Raumzeit immer mehr Energie auf, wenn man sich der Urknall-Singularität nähert. Ist der Schwamm vollgesogen stößt er allerdings das Wasser ab. Analog dem Schwamm-Bild ist auch das Fassungsvermögen der diskretisierten Raumzeit begrenzt. Ein Ansteigen der Energie ist so nicht mehr bis ins Unendliche möglich, sondern führt zu einer abstoßenden Gravitation. Diese abstoßende Schwerkraft zur Zeit des Urknalls lies den Raum sogar beschleunigt expandieren - ein Konzept, das unter dem Begriff Inflation schon vor der Schleifen-Quantengravitation in der Physik diskutiert wurde.
Ein großes Kapitel ist den Schwarzen Löchern gewidmet, denn schließlich kommt auch in diesen Objekten das Problem der Singularität zu tragen. Anders als den Urknall können wir aber Schwarze Löcher gewissermaßen von Außen beobachten. Überhaupt macht Martin Bojowald klar, dass die Quantengravitation nicht bloße "Theorie" ist. So können Gravitationswellen und Neutrinos die Phase in der Geschichte unseres Universums, in der die Quantengravitation relevant ist, unbeschadet überstehen. Außerdem sollte die in Schleifen strukturierte Raumzeit auch einen Einfluss auf die Lichtgeschwindigkeit haben.

Wenn die Schleifen-Quantengravitation die Urknall-Singularität vermeiden kann, ist es sinnvoll zu fragen, was vor dem Urknall war. Davor muss ein kontrahierendes Universum kollabiert sein, ein so genannter Umschwung von Kontraktion zu Expansion. Wie kann man sich ein kontrahierendes Universum vorstellen? Läuft in ihm die Zeit rückwärts? Welche Informationen über das Vorgängeruniversum können wir erwarten? Auf Fragen dieser Art versucht Martin Bojowald in seinem Buch zu antworten. Ein witziger Effekt ist die "Umkehrung der räumlichen Orientierung". Bojowald schreibt: "Ein Rechtshänder, sollte er die Reise durch den Urknall überleben, würde also danach zu einem Linkshänder werden." Ein witziger Effekt, was die Händigkeit eines hypothetischen Umschwungreisenden anbelangt, doch fundamental in der Teilchenphysik: Hier haben Spiegelsymmetrien ernste Auswirkungen.
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Schnappschuss aus einer Animation zur Dynamik der Quantengeometrie in der Schleifen-Quantengravitation.

Schnappschuss aus einer Animation zur Dynamik der Quantengeometrie in der Schleifen-Quantengravitation.

Theoretische Physiker halten unser Vorstellungsvermögen seit Jahren auf Trab: Nachdem wir uns gerade mit den Strings anfreunden mussten, kommen nun also die Schleifen. Die Stringtheorie, in den Büchern von Brian Greene wunderbar popularisiert, beschreibt den Teilchenzoo der Physik als unterschiedliche Schwingungsanregungen einer einzigen Art elementarer Objekte, eben den Strings (Fäden). Diese winzigen Fäden gleichen den Saiten eines Musikinstruments, die durch unterschiedliche Schwingungsanregungen verschiedene Töne erzeugen. Auch wenn dieses Modell einen großen Schritt im reduktionistischen Programm der Physik darstellt, tut sich die Stringtheorie mit der Urknall-Singularität schwer. Den Grund dafür erklärt Martin Bojowald in seinem Buch folgendermaßen: "Man kann mit ihr [der Stringtheorie] zwar gut die Anregungen auf einer gegebenen Raum-Zeit-Bühne beschreiben, aber das Verhalten der Raum-Zeit selbst, die ja am Urknall singulär wird, ist weit schwieriger zu handhaben. [...] Wir wenden uns deshalb jetzt einer alternativen Theorie zu, die die quantentheoretische Natur der Raum-Zeit-Bühne direkt angeht."

Die Raumzeit, durch Albert Einsteins Relativitätstheorie in die Physik eingeführt, wird in populär-wissenschaftlichen Büchern gern als gespanntes Gummituch mehr schlecht als recht veranschaulicht. Massen verformen dieses Tuch und diese Verformung der Raumzeit wiederum zwingt andere Körper auf eine gekrümmte Bahn. So erklärt Einstein die Gravitation. In der Schleifen-Quantengravitation ist dieses Tuch aber nicht aus homogenem Gummi, sondern aus Schleifen gewoben. "Wo keine Schleife ist, ist gar nichts", schreibt Bojowald. Die zeitliche Entwicklung eines Universums wird in dieser Theorie durch sukzessives Hinzufügen oder Entfernen von Schleifen beschrieben.
Mit der Zerlegung der Raumzeit in die Raumzeit-Atome der Schleifen, wiederholt sich in gewisser Weise die Geschichte der Physik. So wie die Quantenmechanik diskrete Energiezustände in die Atomphysik einführte, um die Stabilität der Atome zu erklären, stabilisiert erst die diskrete Raumzeit den extremen Zustand der Urknall-Singularität. Martin Bojowald bemüht hierfür das Bild eines Schwammes: Im kleinen Maßstab erscheint die Raumzeit porös, eben wie ein Schwamm. Diese Eigenschaft des Schwammes ist von weitem nicht sichtbar und so erscheinen uns auch auf den gewohnten alltäglichen Skalen Raum und Zeit als kontinuierlich. So wie ein Schwamm Wasser aufsaugt, nimmt die Raumzeit immer mehr Energie auf, wenn man sich der Urknall-Singularität nähert. Ist der Schwamm vollgesogen stößt er allerdings das Wasser ab. Analog dem Schwamm-Bild ist auch das Fassungsvermögen der diskretisierten Raumzeit begrenzt. Ein Ansteigen der Energie ist so nicht mehr bis ins Unendliche möglich, sondern führt zu einer abstoßenden Gravitation. Diese abstoßende Schwerkraft zur Zeit des Urknalls lies den Raum sogar beschleunigt expandieren - ein Konzept, das unter dem Begriff Inflation schon vor der Schleifen-Quantengravitation in der Physik diskutiert wurde.
Ein großes Kapitel ist den Schwarzen Löchern gewidmet, denn schließlich kommt auch in diesen Objekten das Problem der Singularität zu tragen. Anders als den Urknall können wir aber Schwarze Löcher gewissermaßen von Außen beobachten. Überhaupt macht Martin Bojowald klar, dass die Quantengravitation nicht bloße "Theorie" ist. So können Gravitationswellen und Neutrinos die Phase in der Geschichte unseres Universums, in der die Quantengravitation relevant ist, unbeschadet überstehen. Außerdem sollte die in Schleifen strukturierte Raumzeit auch einen Einfluss auf die Lichtgeschwindigkeit haben.

Wenn die Schleifen-Quantengravitation die Urknall-Singularität vermeiden kann, ist es sinnvoll zu fragen, was vor dem Urknall war. Davor muss ein kontrahierendes Universum kollabiert sein, ein so genannter Umschwung von Kontraktion zu Expansion. Wie kann man sich ein kontrahierendes Universum vorstellen? Läuft in ihm die Zeit rückwärts? Welche Informationen über das Vorgängeruniversum können wir erwarten? Auf Fragen dieser Art versucht Martin Bojowald in seinem Buch zu antworten. Ein witziger Effekt ist die "Umkehrung der räumlichen Orientierung". Bojowald schreibt: "Ein Rechtshänder, sollte er die Reise durch den Urknall überleben, würde also danach zu einem Linkshänder werden." Ein witziger Effekt, was die Händigkeit eines hypothetischen Umschwungreisenden anbelangt, doch fundamental in der Teilchenphysik: Hier haben Spiegelsymmetrien ernste Auswirkungen.
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Schnappschuss aus einer Animation zur Dynamik der Quantengeometrie in der Schleifen-Quantengravitation.

Schnappschuss aus einer Animation zur Dynamik der Quantengeometrie in der Schleifen-Quantengravitation.

Theoretische Physiker halten unser Vorstellungsvermögen seit Jahren auf Trab: Nachdem wir uns gerade mit den Strings anfreunden mussten, kommen nun also die Schleifen. Die Stringtheorie, in den Büchern von Brian Greene wunderbar popularisiert, beschreibt den Teilchenzoo der Physik als unterschiedliche Schwingungsanregungen einer einzigen Art elementarer Objekte, eben den Strings (Fäden). Diese winzigen Fäden gleichen den Saiten eines Musikinstruments, die durch unterschiedliche Schwingungsanregungen verschiedene Töne erzeugen. Auch wenn dieses Modell einen großen Schritt im reduktionistischen Programm der Physik darstellt, tut sich die Stringtheorie mit der Urknall-Singularität schwer. Den Grund dafür erklärt Martin Bojowald in seinem Buch folgendermaßen: "Man kann mit ihr [der Stringtheorie] zwar gut die Anregungen auf einer gegebenen Raum-Zeit-Bühne beschreiben, aber das Verhalten der Raum-Zeit selbst, die ja am Urknall singulär wird, ist weit schwieriger zu handhaben. [...] Wir wenden uns deshalb jetzt einer alternativen Theorie zu, die die quantentheoretische Natur der Raum-Zeit-Bühne direkt angeht."

Die Raumzeit, durch Albert Einsteins Relativitätstheorie in die Physik eingeführt, wird in populär-wissenschaftlichen Büchern gern als gespanntes Gummituch mehr schlecht als recht veranschaulicht. Massen verformen dieses Tuch und diese Verformung der Raumzeit wiederum zwingt andere Körper auf eine gekrümmte Bahn. So erklärt Einstein die Gravitation. In der Schleifen-Quantengravitation ist dieses Tuch aber nicht aus homogenem Gummi, sondern aus Schleifen gewoben. "Wo keine Schleife ist, ist gar nichts", schreibt Bojowald. Die zeitliche Entwicklung eines Universums wird in dieser Theorie durch sukzessives Hinzufügen oder Entfernen von Schleifen beschrieben.
Mit der Zerlegung der Raumzeit in die Raumzeit-Atome der Schleifen, wiederholt sich in gewisser Weise die Geschichte der Physik. So wie die Quantenmechanik diskrete Energiezustände in die Atomphysik einführte, um die Stabilität der Atome zu erklären, stabilisiert erst die diskrete Raumzeit den extremen Zustand der Urknall-Singularität. Martin Bojowald bemüht hierfür das Bild eines Schwammes: Im kleinen Maßstab erscheint die Raumzeit porös, eben wie ein Schwamm. Diese Eigenschaft des Schwammes ist von weitem nicht sichtbar und so erscheinen uns auch auf den gewohnten alltäglichen Skalen Raum und Zeit als kontinuierlich. So wie ein Schwamm Wasser aufsaugt, nimmt die Raumzeit immer mehr Energie auf, wenn man sich der Urknall-Singularität nähert. Ist der Schwamm vollgesogen stößt er allerdings das Wasser ab. Analog dem Schwamm-Bild ist auch das Fassungsvermögen der diskretisierten Raumzeit begrenzt. Ein Ansteigen der Energie ist so nicht mehr bis ins Unendliche möglich, sondern führt zu einer abstoßenden Gravitation. Diese abstoßende Schwerkraft zur Zeit des Urknalls lies den Raum sogar beschleunigt expandieren - ein Konzept, das unter dem Begriff Inflation schon vor der Schleifen-Quantengravitation in der Physik diskutiert wurde.
Ein großes Kapitel ist den Schwarzen Löchern gewidmet, denn schließlich kommt auch in diesen Objekten das Problem der Singularität zu tragen. Anders als den Urknall können wir aber Schwarze Löcher gewissermaßen von Außen beobachten. Überhaupt macht Martin Bojowald klar, dass die Quantengravitation nicht bloße "Theorie" ist. So können Gravitationswellen und Neutrinos die Phase in der Geschichte unseres Universums, in der die Quantengravitation relevant ist, unbeschadet überstehen. Außerdem sollte die in Schleifen strukturierte Raumzeit auch einen Einfluss auf die Lichtgeschwindigkeit haben.

Wenn die Schleifen-Quantengravitation die Urknall-Singularität vermeiden kann, ist es sinnvoll zu fragen, was vor dem Urknall war. Davor muss ein kontrahierendes Universum kollabiert sein, ein so genannter Umschwung von Kontraktion zu Expansion. Wie kann man sich ein kontrahierendes Universum vorstellen? Läuft in ihm die Zeit rückwärts? Welche Informationen über das Vorgängeruniversum können wir erwarten? Auf Fragen dieser Art versucht Martin Bojowald in seinem Buch zu antworten. Ein witziger Effekt ist die "Umkehrung der räumlichen Orientierung". Bojowald schreibt: "Ein Rechtshänder, sollte er die Reise durch den Urknall überleben, würde also danach zu einem Linkshänder werden." Ein witziger Effekt, was die Händigkeit eines hypothetischen Umschwungreisenden anbelangt, doch fundamental in der Teilchenphysik: Hier haben Spiegelsymmetrien ernste Auswirkungen.
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