Marsforschung

Die acht Kilometer hohe Abbruchkante von Ius Chasma

Ius Chasma ist eines der Haupttäler der Valles Marineris, dem größten Riftsystem im Sonnensystem. Über eine Länge von 940 Kilometer bildet Ius Chasma in der Westhälfte dieses gewaltigen Grabenbruchs den nördlichen Rand zum Marshochland.
Dieses Bild, das mit der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebenen Stereokamera HRSC auf der ESA-Sonde Mars Express aufgenommen wurde, zeigt einen Ausschnitt der nördlichen Abbruchkante von Ius Chasma, entlang der es zu Hangrutschungen kam.

Dieses Bild, das mit der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebenen Stereokamera HRSC auf der ESA-Sonde Mars Express aufgenommen wurde, zeigt einen Ausschnitt der nördlichen Abbruchkante von Ius Chasma, entlang der es zu Hangrutschungen kam.

Ähnlich wie beim Ostafrikanischen Rift auf der Erde brach die Marskruste und bildete dieses dreieinhalbtausend Kilometer lange und bis zu elf Kilometer tiefe, gigantische Canyon-System. Auslöser für die Krustentektonik ist die Tharsis-Aufwölbung: Diese größte vulkanische Region auf dem Mars besteht aus vielen Lavaströmen mit einer Gesamtmächtigkeit von mehreren Kilometern. Aufgrund dieser Auflast entstanden immense Spannungen in der Kruste, die zur Riftentstehung führten. Die Aufwölbung von Tharsis begann vor mehr als dreieinhalb Milliarden Jahren während des Noachiums, der ältesten Periode in der Marsgeschichte, und setzte sich bis in die Periode des späten Hesperiums fort, die vor etwa drei Milliarden Jahren endete. Während dieser beiden geologischen Perioden kam es zu verstärkt auftretendem Vulkanismus auf dem Mars. Die Abbildung zeigt einen Teil des Rifts, das nach Norden von einem Plateau des Marshochlands abgegrenzt wird.

Rechtwinkliges System von tektonischen Brüchen

Die Abbruchkante fällt bis zu 8,2 Kilometer zum Boden des Chasmas hin ab. Die immensen Spannungen im Gestein erzeugten mehrere parallele Störungen zum Rift, deren Spur sich auch auf dem Plateau verfolgen lässt, wo die Spannungen stellenweise zu tektonischen Gräben führten. Rechtwinklig zum Hauptgrabensystem bildeten sich außerdem weitere Störungen. Mehrere, sich überlagernde, großflächige Hangrutsche stürzten in das Chasma hinab. Entlang der obersten und damit jüngsten Rutschung erkennt man eine helle, schlierige Zone. Sie könnte ein Hinweis auf einen Materialwechsel im Aufbau des anstehenden Hochlands sein. In Bildausschnitt 3 sind die Überreste einer älteren Hangrutschung zu sehen. In der Mitte der abgebildeten Szene fallen großflächige, dunkle Strukturen auf. Dabei handelt es sich um Dünen, die der Marswind dort angehäuft hat und deren dunkle Färbung vermutlich von zu Staub und Sand verwittertem Basalt herrührt, einem auch auf der Erde häufigen eisen- und magnesiumreichen vulkanischen Gestein. Einige helle Ablagerungen in dieser Umgebung könnten von abgerutschtem Material herrühren, das noch nicht so lange den Kräften der Verwitterung ausgesetzt ist und das anstehende Gestein des Marshochlands repräsentiert, das entlang und unterhalb der Abbruchkante aufgeschlossen ist. Die Ablagerungen der Hangrutsche weisen zudem Fließstrukturen auf, erkennbar an länglich gewundenen Rillen, die sich mit zunehmender Entfernung auffächern. Möglicherweise spielte im Hochland gespeichertes Eis oder Wasser bei den Hangrutschungen eine Rolle. Mit dem Begriff Chasma (griechisch für Kluft, Abgrund, Spalte; Plural Chasmata) werden von der Internationalen Astronomischen Union langgestreckte, von steilen Abhängen begrenzte Vertiefungen, Erdspalten oder von steilen Abhängen begrenzte Brüche im Gelände bezeichnet. Der Name Ius bezieht sich auf Io, eine Geliebte des Zeus’ in der griechischen Mythologie, nach der auch der vulkanisch aktive Jupitermond Io und das Ionische Meer benannt sind. Die Aufnahmen mit der hochauflösenden Stereokamera HRSC entstanden am 16. September 2005 während Orbit 2149 von Mars Express aus einer Höhe von etwas mehr als 250 Kilometern über der Marsoberfläche. Die beste Bildauflösung beträgt etwa 13 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Abbildungen zeigen einen Ausschnitt bei 7 Grad südlicher Breite und 282 Grad östlicher Länge.

Bildverarbeitung und das HRSC-Experiment auf Mars Express

Die Farbansichten wurden aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen erstellt; die perspektivischen Schrägansichten wurden aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die schwarzweiße Darstellung beruht auf der Aufnahme mit dem Nadirkanal, der von allen Kanälen die höchste Auflösung bietet. Die in Regenbogenfarben kodierte Draufsicht beruht auf einem digitalen Geländemodell der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt. Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin), der auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hatte, geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 40 Co-Investigatoren aus 33 Institutionen und zehn Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung des PI entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Sie wird vom DLR -Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR. Die Darstellungen wurden vom Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin erstellt.

Quelle: DLR

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